Innovativer Malermeister
Umweltfreundlichen Fassadenschutz entwickelt
Bielefeld (WB). "Innovationskraft ist die Stärke des Mittelstandes", sagt Andreas Kramme. Der Bielefelder Malermeister ist nicht nur Bindeglied zwischen Farbenproduzent und Großhandel auf dem Weg zu einem innovativen umweltfreundlichen Fassadenputz. Kramme hat aus seiner Forschungsarbeit gleich auch seinen Master-Abschluss in Bautenschutz gemacht.
Florian Reichel, sein Vater Helmut Reichel, Fachgroßhändler Hans-Wilhelm Horstmann und Malermeister Andreas Kramme (von links) haben gemeinsam das Projekt einer umweltfreundlichen und schadstofffreien Fassade voran getrieben.
Andreas Kramme ist das Malerhandwerk in die Wiege gelegt worden. Sein Großvater Paul Kramme hatte den Malerbetrieb 1924 im Bielefelder Ortsteil Deppendorf gegründet - zunächst als zweites Standbein neben der Landwirtschaft. Kramme hat diese Gene offensichtlich geerbt. Der heutige Malerbetrieb liegt auf der Hofstelle von einst. Statt Landwirtschaft widmet sich der Malermeister in seiner Freizeit alten Apfelsorten. Und an der Außenwand des historischen Elternhauses hat Kramme einen Teil seines Versuchsaufbaus angebaut, mit dem er die Entwicklung einer umweltschonenden Fassadenbeschichtung ohne die durch Beimengung von Giftstoffen gegen Algen und Pilze schädlichen Auswirkungen für das Grundwasser maßgeblich begleitet hat.
Seit Ende der 1990er Jahre widmet sich Andreas Kramme Umweltprodukten. Lehmputze sind zu seinem Steckenpferd geworden. In seiner Musterschau im Betrieb zeigt er eine Vielfalt an Gestaltungsmöglichkeiten. Mit heute zehn Mitarbeitern kümmert sich der Handwerker um die Verwendung nachhaltiger und natürlicher Materialien wie Kalk, Lehm und Silikat. Er ist längst auch staatlich geprüfter Restaurator im Malerhandwerk und diplomierter Betriebswirt.
Über Hans-Wilhelm Horstmann, seinen mittelständischen Farbengroßhändler, kam Kramme in Kontakt mit Helmut Reichel. Der betreibt gemeinsam mit Sohn Florian eine kleine Fabrik für Fassadenputze und Farben in Nordhessen. Und ist ebenso fasziniert von der Idee, ein umweltfreundliches Produkt zu entwickeln Das die Natur offensichtlich auch bitter nötig hat. Der Hintergrund des staatlich verordneten Dämmbooms der Wohnimmobilien in dem rein physikalisch bedingten Algen- und Pilzbefall an Außenfassaden, den die Industrie durch Zusatz von giftigen Zusätzen verhindern möchte. das Problem, wissen die Bielefelder, ist bekannt.
An Abhilfe hat es aber offensichtlich gefehlt. Obwohl der Recyclingriese Remondis aus einem geläufigen Industrierecyclingprozess gewissermaßen einem Tagesgeschäft, den Rohstoff Casul in großen Mengen herstellen kann. Dieser Rohstoff, erklärt Helmut Reichel, werde auch in der Papierherstellung eingesetzt und ermögliche einen deutlich höheren Weißanteil: Bereits im 19. Jahrhundert war der Stoff als Satinweiß bekannt."
Reichel war fest entschlossen, der Idee seines Betriebes verpflichtet, einen Fassadenschutz frei von zusätzlichen Konservierungsmitteln oder Bioziden mit bestmöglichem Schutz gegen Algen und Pilze herzustellen. Dass die bislang zugesetzten Algizide und Fungizide sich auswaschen und ins Grundwasser gehen, ist inzwischen auch beim Gesetzgeber angekommen, wissen die Fachleute.
Dank Hans-Wilhelm Horstmann war die Allianz zwischen Reichel und Kramme schnell eine beschlossene Sache. Kramme: "Ich war quasi der Forscher vor Ort." Das Vertrauensverhältnis zwischen zwei Mittelständlern, ist der Bielefelder überzeugt, schuf auch die Basis, auch offen über Details und Rezepturen zu sprechen, wie es mit einem großen Industriepartner so bestimmt nicht möglich gewesen sei. Kramme: " Ich hatte den Vorteil, bei Reichel anrufen zu können und direkt den Chef dran zu haben. Und umgekehrt."
Die Strategie war schnell klar. Kramme bestrich Testfalder auf der besonders tauanfälligen Nordseite seines Hauses mit verschiedenen Produkten. Oft früh um 4.30 Uhr wurden in einem eigens ausgetüftelten Verfahren die Feuchtigkeitsmengen auf den einzelnen Testflächen ermittelt. Als der Rezepturbestandteil Casul ins Spiel gekommen sei, erklärt Kramme, habe sich die Tauwasseranfälligkeit schlagartig drastisch reduziert.
Es wurde an den Rezepturen gefeilt. Zum Lehmputz wurde auch eine Farbe entwickelt. Und während in Dautphetal bei Reichels an den Rezepturen gearbeitet wurde, dokumentiert Kramme in Deppendorf alle Werte.
Da traf es sich gut, sagt er, dass er just an der Hochschule Wismar ein ingenieurwissenschaftliches Fernstudium im Bereich Bautenschutz betrieb. Und im Gespräch mit Prof. Helmuth Venzmer, einem fernsehbekannten maßgeblichen Experten zu Schäden an Dämmverbundsystemen. Und Kramme nach drei Semestern noch eine Masterarbeit benötigte. Der Erfolg gab dem Bielefelder Recht.
Inzwischen sind Farbe und neuer Putz auf dem Markt. Und Andreas Kramme sieht sich bestätigt, dass er seinen Berufsweg richtig definiert hat. Nach kaufmännischer Lehre und Betriebswirtschaftsstudium und sechs Jahren im Möbelhandel sah der Bielefelder seine Zukunft im Handwerk. Und in Vater Herberts Betrieb, den er 2009 komplett übernahm. Kramme: "Der Weg zu so einem fertigen Produkt zeigt doch, wieviel Potenzial Handel, Handwerk und Mittelstand besitzen."